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Gesetz zur Stärkung des fairen Wettbewerbs: Anti-Abmahngesetz
Das neue Gesetz zur Stärkung des fairen Wettbewerbs soll missbräuchliche Abmahnungen eindämmen, indem die Anforderungen an Abmahnberechtigte erhöht werden. Es wird auch die Möglichkeit zur Geltendmachung von Gegenansprüchen vereinfacht. Die Maßnahmen zielen darauf ab, eine gerechtere und transparentere Abmahnpraxis zu fördern.
Von
Dagmar Schulz
18. September 2020
Minuten
Inhaltsübersicht
Nach nun nahezu zweijähriger Diskussion hat der Bundestag den Gesetzentwurf für ein Gesetz zur Stärkung des fairen Wettbewerbs zwischenzeitlich verabschiedet.
Der Entwurf liegt nun beim Bundesrat, der hierüber befinden muss. Wir haben Micaela Schork LL.M., TIGGES Rechtsanwälte, zu diesen guten Nachrichten für alle Selbstständigen gefragt, was das nun im Einzelnen bedeutet.
Mit dem Gesetzentwurf sollen missbräuchliche Abmahnung eingedämmt oder jedenfalls erschwert werden. Dazu wurden die Anforderungen an die Anspruchsberechtigung von Wettbewerbern und Wirtschaftsverbänden deutlich erhöht und die Möglichkeit zur Geltendmachung von Gegenansprüchen vereinfacht. Dies betrifft insbesondere folgende Kernpunkte:
Wer ist nun abmahnberechtigt?
Mitbewerber
wenn sie tatsächlich geschäftlich tätig sind, d.h. Waren oder Dienstleistungen gleicher oder verwandter Art auf demselben Markt tatsächlich und nicht nur gelegentlich vertreiben. Damit sind z.B. Online-Shops mit Fantasieangeboten oder bereits insolvente Mitbewerber nicht mehr abmahnberechtigt.
Wirtschaftsverbände
wenn sie in eine offizielle „Liste der qualifizierten Wirtschaftsverbände“ eingetragen sind. Die in diesem Register eingetragenen Unternehmen unterliegen der Kontrolle des Bundesamtes für Justiz (BfJ),
wenn sie nachweisen, dass ihnen mindestens 75 – und damit ein relevanter Anteil – Unternehmer angehören, die Waren oder Dienstleistungen gleicher oder verwandter Art auf demselben Markt tatsächlich und nicht nur gelegentlich vertreiben und der Verband seit mindestens einem Jahr seine satzungsgemäßen Aufgaben wahrgenommen hat;
wenn ein konkretes Wettbewerbsverhältnis zwischen abgemahntem Unternehmen und den Mitgliedern des abmahnenden Verbandes besteht und die abgemahnte Zuwiderhandlung die Interessen ihrer Mitglieder daher tatsächlich berührt,
wenn sie unter Darlegung ihrer personellen, sachlichen und finanziellen Ausstattung deutlich machen können, dass sie ihre satzungsmäßigen Aufgaben auch künftig sachgerecht erfüllen werden und ihre Ansprüche nicht vorwiegend geltend machen, um für sich Einnahmen aus Abmahnungen oder Vertragsstrafen zu generieren.
Erleichterte Bestimmung der Missbräuchlichkeit einer Abmahnung
Bei bestimmten Fällen gilt eine Indizwirkung, d.h. eine Abmahnung wird in diesen Fällen als missbräuchlich auszulegen sein. Dies kann natürlich bei Würdigung der Gesamtumstände widerlegt werden.
Typische Fälle, die für eine Missbräuchlichkeit einer Abmahnung sprechen, sind z.B. überhöhte Anwaltsgebühren oder Vertragsstrafen oder die Abmahntätigkeit steht in einem Missverhältnis zur Geschäftstätigkeit.
Missbräuchliche Abmahnungen sollen per se einen Gegenanspruch des Abgemahnten begründen. Aber auch unabhängig von der Frage, ob die Abmahnung rechtsmissbräuchlich ist, soll ein Gegenanspruch schon dann möglich sein, wenn die Abmahnung nicht den formalen Anforderungen (der Entwurf sieht hierzu sehr detaillierte Vorgaben vor) entspricht. Die Abgemahnten können insoweit auch die ihnen entstandenen Kosten – dies aber nur bis zu der Höhe der von dem ursprünglichen Abmahner geltend gemachten Kosten – von den Abmahnenden erstattet bekommen.
Kein Aufwendungsersatz bei bestimmten Verstößen
In bestimmten Fällen können Wettbewerber zwar weiterhin abmahnen, sie können aber keine Erstattung ihrer hierfür angefallenen Kosten verlangen.
Bei Verstößen gegen Informations- und Kennzeichnungspflichten in Telemedien, dies sind z.B. Verstöße gegen die Impressumspflicht, Informationspflichten im Fernabsatz, die Pflicht zur Widerrufsbelehrung oder die Vorschriften der Preisangabenverordnung, wird ein Anspruch auf Ersatz der Aufwendungen für eine Abmahnung durch Mitbewerber gänzlich ausgeschlossen.
Gleiches gilt bei Verstößen gegen die DSGVO – Abmahnungen gegenüber Unternehmen sowie gewerblich tätigen Vereinen mit bis zu 250 Mitarbeiter begründen künftig keinen Aufwendungsersatzanspruch seitens des Abmahnenden.
Keine oder eine limitierte Vertragsstrafe bei bestimmten Vorgängen
Eine Vertragsstrafe soll im Falle einer erstmaligen Abmahnung von kleinen Unternehmen mit nicht mehr als 100 Mitarbeiter nicht mehr möglich sein.
Erfolgt diese erstmalige Abmahnung des Verstoßes aber durch einen Wirtschaftsverband, eine qualifizierten Einrichtung, eine Industrie- und Handelskammer, Handwerkskammer oder Gewerkschaft, so besteht weiterhin die Möglichkeit, zur Streitbeilegung unmittelbar die Abgabe einer mit einer angemessenen Vertragsstrafe bewehrten Unterlassungsverpflichtung zu verlangen.
In einfach gelagerten Fällen einer Abmahnung gegenüber Unternehmen mit regelmäßig weniger als 100 Mitarbeiter soll eine Vertragsstrafe auf maximal 1000 € begrenzt werden.
Fliegender Gerichtsstand teilweise abgeschafft
Bislang gilt für sämtliche Wettbewerbs- oder Urheberrechtsverletzung, die in irgendeiner Form mit dem Internet zu tun haben und daher bundes- bzw. weltweit abgerufen werden können, der fliegende Gerichtsstand, d.h. der Abmahner kann sich aussuchen, wo er klagt. Dieser fliegende Gerichtsstand wird mit dem Entwurf bei Verstößen gegen Informationspflichten in Telemedien oder im elektronischen Geschäftsverkehr ausgeschlossen, Klagen sind in diesen Fällen künftig bei dem Gericht anhängig zu machen, in dessen Bezirk der Beklagte seinen allgemeinen Gerichtsstand hat.
Die Grundidee dieses Entwurf ist begrüßenswert: durch die Abschaffung z.B. des Kostenerstattungsanspruchs für bestimmte Verstöße dürfte die Zahl der Abmahnungen in diesem Bereich tatsächlich zurückgehen. Allerdings stellen sich einige der Vorgaben und Anforderungen als „auslegungsbedürftig“ dar und es fehlt stellenweise eine hinreichende Rechtsklarheit. Daher ist es leider auch fraglich, ob das Phänomen der Abmahnung zur Einnahmeerzielung insgesamt eingedämmt werden kann. Hier werden die Gerichte im Rahmen ihrer Rechtsprechung wohl peu à peu Klarheit schaffen müssen.
Vielen Dank an Micaela Schork für diese wichtige Information zum neuen Gesetz gegen Abmahnmissbrauch. Das ist eine wichtige Anpassung längst notwendiger Regelungen gegen die Geschäfte hinter den Abmahnungspraktiken.